Schlagwörter
Berliner Gespräche, Diskussion, Kormoran auf der Strasse, Manteuffelstrasse, Wumme
Die Arbeit an der Universität dauerte aufgrund der sogenannten Berliner Gespräche wieder ewig.
„Berliner Gespräche“ habe ich die Diskussionen getauft, die so gerne in der Berliner Universität geführt werden: keiner bis auf wenige hat sich vorbereitet, die Vorschläge werden aufgefächert und analytisch hinterfragt. Die Diskussion geht in jede erdenkbare Richtung, niemand kann sich für eine Mehrheits-Richtung entscheiden. So dauern diese Gespräche, da scheinbar niemand etwas besseres vor hat, Stunden und werden ohne Konsens unterbrochen und vertagt.
Die Berliner Akademiker haben eine intellektuelle Lust alles so genau wie möglich aufzutröseln und kennen auch in der Freizeit als Hobby nur die Diskussion
Aus München kommend war ich einfach anderes gewöhnt. Jeder hatte sich vorbereitet, es wurde die Richtung und der Konsens ausgelotet und so schnell es ging entschieden und umgesetzt. Alle haben die Freizeit als hohen Stellenwert in Ihrem Leben verankert und so konnte man nach den effektiven Entscheidungen losgehen: zum Skifahren, in die Berge zum Wandern, zum Schwimmen an die Isar oder einfach nur in den Garten gehen.
Mit der Hochbahn Linie 1 fuhr ich also am späten Nachmittag nach Kreuzberg, da ich den ganzen Tag wieder nichts gegessen hatte, landete ich im Imbiss um die Ecke, kurz vor dem Paul-Lincke-Ufer. Hier gab es nichts besonderes: nur Currywurst oder Boulette mit einer Schrippe. Dem ungehobelten, roh aussehenden Imbiss-Betreiber standen die Haare zu Berge. Sein unrasiertes Gesicht zeigte die Verachtung für seine hungrigen Kunden. Heute hätte so ein Kerl bestimmt alle Arme und den Hals voller Tattoos und Eisen im Gesicht. Aber das war in diesen Jahren noch nicht so gefragt, eher trägt der Mann eine schwere Goldkette, die Glieder als historische Anker-Kette geformt. So ein Teil konnte auch schon mal ein Kilo wiegen.
„Bitte eine Curry, schön scharf“ bestellte ich „und ein Schultheiss“. Das Berliner Schultheiss Bier wurde nur in der Flasche serviert. Der Imbiss-Betreiber schob die Curry-Wurst und das Schultheiss auf den Tresen in der engen Imbiss-Bude.
Ausser mir waren nur der Kerl und sein schmächtiger Kollege im Raum.
Er schaute sich kurz um ob die Luft rein ist und meinte dann, Du siehst verdrossen und fertig aus.
Am besten klärst Du einmal alle Deine Probleme. Er knallte eine scharfe Waffe, einen Colt mit Trommel auf die Theke und insistierte mit singender Stimme: 200 D-Mark und Du kannst sie mitnehmen. Die Nummer ist heraus geschliffen, null Problem, aber Du musst Dich sofort entscheiden.
An meiner Currywurst nagend würgte ich ein: „ich brauche keine Wumme“ heraus und zog es vor das Bier mitzunehmen, trat aus dem Imbiss und wankte zum Paul-Lincke-Ufer in die Sonne.
Sah ich wirklich schon so aus als müsste ich meine Probleme mit der Waffe klären?
© Kormoranflug 2019
P.S. Die Currybude von 1982 ist inzwischen gentrifiziert
Achtung beim Hinterlassen eines Kommentars oder Benutzung des Like-Buttons:
Beachten Sie die Menüseiten Impressum und Datenschutz. Mit dem Absenden des Kommentars oder Benutzen des Like-Button erklären Sich sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch wordpress.com einverstanden!