Schlagwörter
Antonio, Bacalao, Barcelona Reina Cristina 3, Caballeira, Espardenas, galizisches Restaurant, Meer, Restaurante Caballeira, Service, Sopa de Pescado, Wellen, Wind, www.carballeira.com
Er gehört zu einer aussterbenden Generation der Perfektionisten. In dieses spezielle Fischlokal in Barcelona komme ich nur alle 6 bis 10 Jahre. Er war immer da und scheint sich nicht zu verändern, er altert nicht, er arbeitet immer an der hohen Grenze seines eigenen Anspruches. Sicher hat er eine Ausbildung zum englischen oder französischen Vorlege-Kellner absolviert und arbeitete an bekannten Häusern. Seine Arbeit hat er all die Jahre perfektioniert. Antonio, Ende fünfzig ist einmeterneunzig gross und kräftig gebaut. Er hat immer ein blütenweisses, frisch gestärktes Leinenjacket an. Durch den Raum bewegt er sich geschmeidig wie eine Katze. Seine Bewegungen sind trotz seiner Grösse sicher, direkt und geräuschlos. Nie wirkt er arrogant, nein er gibt Sicherheit und serviert dabei perfekt.
In Barcelona bespielt er den ersten Gastraum des galicischen Restaurants mit ungefähr 30 Plätzen. Die Wände sehen aus wie in einem modernen Schiffs- oder Eisenbahn-Abteil mit einer Wandbekleidung aus hellem Teak-Holz und durchgehenden Hutablagen darüber. Zum Eingang wird der Gast-Raum seitlich mit einem sieben Meter langen aquarium-ähnlichen verglastem Einbau begrenzt, hier sind die Spezialitäten des Lokales aufgebaut: ein ganzer schwarzer Seeteufel, verschiedene frisch gefangene Fische in allen Farben, Bacalao, Muscheln, Austern, Almejas, Canaillas, Percebes, Grevetten, Hummer, Seeigel, Seegurken, Muscheln, Krustentiere.
Betritt man das Lokal, geht man zwischen dieser Auslage und der Bar entlang bis zum Tisch des Patron, der einem nach nettem Begrüssungs-Gespräch einen Tisch zuweist.
Dann empfängt mich „Antonio“. Die Speisekarte wird gereicht, es gibt eine weitere Karte mit den besonders frischen Tages-Fisch-Spezialiäten oder arroz de espardenas. Die Karte ist natürlich zweisprachig katalanisch und kastilisch. In Ruhe wird gewählt. Wer will, kann sich den Fisch in der Theke noch einmal ansehen oder zum ansehen bringen lassen. Mancher trinkt einen Aperitivo oder man bekommt einen ausgezeichneten Wein und Wasser empfohlen. Die Zubereitungsart mancher Gerichte wird durch „Antonio“ beschrieben und hervorgehoben. Die meisten Gäste sind Stammkunden und Antonio kennt die Vorlieben, Geschmäcker oder auch die Abenteuer-Lust der Kunden. Geschickt reizt er die Wünsche zum Besonderen heraus. Wird gerade ein ganzer Merluza aus dem Ofen in einer grossen irdenen Schale aus der Küche gebracht, zeigt er diesen zuerst dem bestimmten Gast, aber auch noch anderen unentschiedenen Stammgästen, damit sie die Zubereitungsart sehen können. Dabei führt er die Gäste ohne sie zu majorisieren, nein obwohl ich selten hier bin, fühle ich mich bei ihm wie zuhause aufgenommen.
Der Tisch ist präzise eingedeckt, doch immer nur mit dem Besteck für den nächsten Gang. Jeder Gang wird mit Besteck und Teller geräuschlos und ohne Aufsehen nachgedeckt.
Sein „mise en place“ ist für jeden Tisch vorgedacht. Für jeden Tisch legt er sich die Tellerfolge, Besteckfolge und Tranchierbesteck zurecht.
-Die Fischsuppe kommt, die Terrine wird dem Gast gezeigt. Die Suppe wird am Tisch vom Kellner eingeschenkt, die Muscheln und Einlagen drapiert. Der Suppenteller sieht aus wie gemalt. Ein Schalenteller steht bereit. Sobald die Suppe im Teller zur Neige geht, kommt er aus dem nichts hervor und serviert weitere Schöpfer aus der Terrine.
-Der Tisch des Advokats in der Mittagspause ist zuerst mit 3 Gedecken eingedeckt, doch heute speist der Herr alleine, die Teller verschwinden ohne dass man es merkt. Bald steht eine erhöhte Schneckenschale und alle nötigen Bestecke dazu auf dem Tisch. Der zweite Gang ein Bacalao mit Bohnen und Lardo, der dritte Gang ein flacher Kuchen, dazu steht schon der vorbereitete grosse Cognac-Schwenker und der Cognac bereit.
So hat „Antonio“ alle 30 Gäste im Blick und dirigiert – serviert – die perfekte Abfolge.
Mit einem Lächeln bietet er noch eine galizische Spezialität, ein sprödes Zuckerbrot „Oreja de fraile“ beträufelt mit einem Schuss Anis-Schnaps zum Cafe solo. –
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